Mai 18, 2009

Spielbergs Adaption als fragliche Interpretation von Dicks Zukunftvisionen

In Hinblick auf die Rückmeldung zum ersten Eintrag, hier ein weiterer Versuch, den Film und die Kurzgeschichte in Hinblick auf die tatsächliche Intention Dicks, unmissverständlich gegenüberzustellen.
Sehr wohl hegt Dick eine Abneigung gegenüber solch übersteigerter Technologisierung, wie sie in Spielbergs Film allzu gut zur Geltung kommt. Sogar ist im Grunde genau das der Teil des Films, der der gröbsten Kritik und sarkastischen Ansichtsweise Dicks zum Opfer fallen würde, denn was Dick in seiner Kurzgeschichte eigentlich thematisiert, ist die Paranoia, also der von uns Menschen durch stetige Weiterentwicklung hoch technologisierter Geräte kreierte Fortschritts- und Kontrollwahn der in Dicks Zukunftsvision immer mehr zunehmen wird.
Und Spielberg hat die ebengenannte Thematik der Kurzgeschichte mit genau den Mitteln in Szene gesetzt, denen Dick den eigentlichen Wahnsinn erst nachsagt.
Doch kann diese Umsetzung nicht mit dem heutigen Anspruch der Massen an den hollywood´schen Film erläutert werden?
Schon die beiden Medien selbst, die Kurzgeschichte, und der Film, zeigen die ihnen eigenen Grenzen und Disparitäten in ihrer Darstellungsweise auf.
Mit diesem Argument könnte die Tatsache erläutert werden, dass sich die Kurzgeschichte um sich selbst, sowie um logische Interpretation und Reflexion über unterschiedliche Sicherheitssysteme dreht, während der Film um eine dementsprechende Verbildlichung und seine äußere Erscheinung des Gesehen Werdens kreist. Welches Ausmaß an Aufsehen hätte der Film erregt, hätte er sich in erster Linie mit der hinter der Sicherheits- und Kontrollpolitik liegenden Psychologie auseinandergesetzt?
Und so könnten wir uns vielleicht die Frage stellen, ob eine Verfilmung im Sinne von Dick möglich gewesen wäre, die zwar ausführlich geschilderte Feinheiten aus der Kurzgeschichte detailgetreu übernimmt, dies jedoch ohne eine zusätzliche Gewichtung des Fanatismus für technische Wandlungs- und Anpassungsfähigkeiten, deren im Film dargelegtes Ausmaß das ausschlaggebende Interesse Hollywoods an solch, unserer bislang bewährten Kultur entgegengesetzten Werten ausmacht.
Was zu bemängeln ist, ist die Art, WIE Spielberg den in der Kurzgeschichte thematisierten (Pseudo?) Sicherheitswahn umgesetzt hat, anstatt sich schlicht und einfach darauf zu konzentrieren, DASS er existiert, und somit gesellschaftspolitische Strukturen und Werte durcheinander bringt.
Denn wahrhaftig überwiegen in der Kurzgeschichte ästhetisch-stilistische Merkmale einer forschenden, und zugleich interpretativen Sprache, während sich der Film auf beschreibende Elemente stützt und die amerikanische Sicherheitspolitik auf greifbar wirkende, bis ins kleinste Detail sichtbar analysierte Maschinerien reduziert. (Wobei zu erwähnen bleibt – inwieweit ist dies nicht schon blauäugige amerikanische Realität?)
Dick selbst schrieb: "We live in a society in which spurious realities are manufactured by the media, by governments, by big corporations. We are bombarded with pseudo-realities manufactured by very sophisticated people using very sophisticated electronic mechanisms. I do not distrust their motives. I distrust their power." (Dick, Philip K. In: www.washingtonpost.com. 2002)
Gerade zu der Zeit, als die Politik in Washington debattiert, welche zivilen Freiheiten man zu Gunsten der Bekämpfung aufgeben sollte, erscheint eine Story mit dem Thema Sicherheit versus Freiheit.
Und als wäre Spielberg das leibhaftige Objekt solcher in Dicks Augen gesellschaftlichen Angst Auslöser, zeigt er in der Adaption der Kurzgeschichte eine Welt, die bereits von technischen Maßnahmen allgegenwärtiger Kontrolle und Omnipräsenz der Sicherheitspolitik durch eine transparente Spiegelwelt mit Einblick in das alltägliche Leben der Bewohner, dominiert wird.
Die Frage, die in Dicks Interesse gelegen hätte, nämlich ob dies nicht zu stark in die menschliche Freiheit eingreift, tritt hinter die im Vordergrund stehenden maschinellen Fähigkeiten.
So kann man getrost die These aufstellen, dass Spielberg Dicks Zukunftsvisionen spielerisch als Gelegenheit nimmt, sich in technischen Feinheiten auszutoben, wobei die ursprüngliche Idee der Geschichte im Grunde weiter ausholt, nämlich zielführend auf die logische, soziologisch-gesellschaftliche Auswirkung und (un)mögliche Effizienz solcher Sicherheitsmaßnahmen, da sie die eigentliche Natur der Realität in Frage stellen.
Ein Detail, das also dennoch in der Verfilmung aufgegriffen wurde, ist die Frage der Verlässlichkeit der Ahnungen der Precogs, sowie die Funktionstüchtigkeit der Auswertung der Majority Reports.
Und die größte Frage ist und bleibt in meinen Augen, ob ein derartiger „Schutzmechanismus“ für Gewalttaten an unschuldigen Menschen, nicht vielmehr eine Sicherheitsmaßnahme der Politik ist, um nicht den Überblick und die Kontrolle über ihr eigens aufgebautes System zu verlieren.
Denn, und das mag wohl auch der eigentliche Grund für Dicks Sarkasmus in seiner Kurzgeschichte sein, man kann doch unmöglich von selbstloser, all Zeit bereiter Aufopferung der staatlichen Einsatzkräfte sprechen, wenn dies auf Kosten der Freiheit und Privatsphäre jedes Einzelnen geschieht.
Nur, wie konnte Philip K. Dick schon zu seiner Zeit erahnen, welch düstere Seiten und Nebenwirkungen sich im Laufe unserer fortlaufenden Technologisierung auftun werden?
„The short story is more paradoxical. The system of arresting people who haven't done anything yet remains intact in Dick's ending. And his last sentence suggests that the flaw in the system -- that the psychics are not infallible -- will probably recur as well. In many of his stories, Dick concludes that new technology often creates new problems of its own rather than solving the ones it was designed to fix.“
Quelle:
Bzdek, Vincent P. In : http://www.washingtonpost.com/ac2/wpdyn?pagename=article&node=&contentId=A6396-2002Jul26&notFound=true. Seite G01. 2002

Mai 15, 2009

Spielberg's Minority Report und Hollywood nach 9/11 - Eine Filmkritik

Das Kunstheater, der Roman, aber auch das Medium des Spielfilms haben durchaus den Anspruch der gesellschaftlichen Relevanz. Philip K. Dicks Zukunftsvision aus dem Jahre 1954 war im Jahre 2002 längst Wirklichkeit geworden: Mit modernster Technik versuchte man nach den Anschlägen auf das World Trade Center am 11.9.01 der terroristischen Bedrohung aus Nahost Herr zu werden, natürlich auf Kosten von Datenschutz, Bürger- und, wie sich spätestens 2004 herausstellen sollte, des Menschenrechts. Als sich Steven Spielberg anschickte die Kurzgeschichte "Minority Report" zu verfilmen, hoffte man auf anspruchsvolle, technisch hochwertige und vor allem politische Popcorn-Unterhaltung. Natürlich waren keine beissend satirische Boshaftigkeiten wie in Paul Verhoevens Dick-Verfilmung "Starship Troopers" zu erwarten, trotzdem lud der Stoff förmlich dazu ein, Verbindungen zur damaligen politischen Lage aufzuzeigen. Auch die Diskussionen im Plenum zeigen, dass dies möglich gewesen wäre. Spielberg schien auch durchaus die Absicht zu haben Bezüge zum aktuellen Zeitgeschehen zu finden: Sein Minority Report war als eine Art futuristischem D.C. Confidential, einem realistischen Sci-Fi Thriller, der an kernige Cop-Thriller erinnert, angelegt. Eher Blade Runner als Total Recall. Eine comichafte Inszenierung wäre Dicks Vorlage gerechter geworden, aber Spielberg ist kein Verhoeven und so scheitert auch Minority Report nicht an den Bildern oder dem Inszenierungsstil, sondern an der Unausgegorenheit der Idee. Psychologisch und philosophisch interessante Gedanken und Fragen stellen sich für Spielberg gar nicht, wohl auch im Sinne Hollywoods. Kleine optische Verweise auf den 11.September (Cruise öffnet Schließfach 911 etc.) wirken da aufgesetzt und heuchlerisch, denn Spielberg setzt sich nicht wirklich mit Fragen der inneren Sicherheit auseinander. Ob und inwiefern die Freiheit des Einzelnen über dem Schutz der Opfer bei Mord oder gar einem Terroranschlag steht, ist eine Frage, die sich dem Zuschauer aufdrängt. Da aber in der Verfilmung erst gar keine Grauzonen existieren, sondern nur ein schlichtes Gut/Böse Schema, das sich schon nach wenigen Minuten in einer Zukunfsvariante des Filmes Auf der Flucht verliert, umschifft Spielberg so gekonnt den Anspruch zugunsten der Action. Das Geschehen bleibt von Anfang bis Ende oberflächlich, ist aber alleine schon durch den Cast so vorhersehbar wie die meisten Cruise-Actioner vor Collateral. Wer in dem Film ein Plädoyer für mehr Demokratie und Menschlichkeit sehen will, wird sicher fündig, letztlich wird den meisten lediglich das aufdringliche (und paradoxe) Product Placement in Erinnerung bleiben.

Das Precrime System aus dem Film "Minority Report" - bald Realität?

Viele Menschen kennen den Film "Minority Report" mit Tom Cruise (nicht umeinsonst wegen ihm ein bekannter Film) und eventuell die gleichnamige dem Film zugrundeliegende Short Story des Science- Fiction Autors Philip K. Dick. Hier wird ein System skizziert, in dem jeder Mord vorausgesagt werden kann und somit verhindert wird. Der Traum eines jeden Menschen - leben wir doch alle getreu nach dem Motto "Was Du nicht willst, was Dir selbst widerfährt, das tu' auch keinem anderen an" - von einer verbrechenslosen Gesellschaft könnte somit wahr werden.
In England versucht eine Unterabteilung von Scotland Yard, die 'Homide Prevention Unit' (HPU) diese Vision wahr werden zu lassen. (Quelle: http://www.heise.de/tp/r4/artikel/24/24074/1.html) Hier werden von Psychologen Persönlichkeitsprofilen schon gestorbener Mörder untersucht, Gesprächen mit verurteilten Mördern ausgewertet, sowie aus wissenschaftlichen Erkenntnissen aller Art von Merkmale herausgearbeitet, anhand derer potenzielle Mörder identifiziert werden können.
Ausgehend von der Short Story und dem Film, weiß man zwar, dass das " gewaltlose" System in "Minority Report" auf der Vorhersage der drei 'Precogs' beruht, die im drogenumnebelten Zustand ihre Aussagen tätigen. Unsere Zeit hat eben noch nicht die dementsprechende Technologie, kann also nur über Kategorisierungen und Einteilungen von Persönlichkeitsprofilen, solche Vermutungen und Aussagen treffen - ist somit aber schon verdammt nah dran an einer verbrechenlosen Gesellschaft, in der alle in Frieden miteinander leben können.
Bleibt die Frage, ob diese Kategorisierung nicht allzu viel vorwegnimmt und die Einteilung in das Raster "gut" und "böse" nicht Voraussetzungen schafft, die es uns schwer machen, wirklich zu unterscheiden und nicht davor bewahrt, auch falsche Entscheidungen zu treffen.
Bleibt die Frage, ob eine 'gewalt- und verbrechensfreie' Welt unter diesen Voraussetzungen, da sich auch Fehler ins System einschleichen können (so auch in "Minority Report" geschehen), wirklich wünschenswert?
Und bleibt als letztes die Frage, ob so eine Gesellschaftsform wirklich auch kreierbar ist? Ist der Mensch an sich nicht böse und daher das Böse auch nicht vermeidbar?